lügen vs. belügen vs. anlügen vs. vorlügen

dee da teecha

Member
Ukrainian, Russian → Ukraine
Hallo Leute!

Zuerst der Kontext. Ich habe gerade ein Video bei Insta gesehen, wo man Deutschen eine (angeblich) tabuirte Frage stellt: "Wie viel verdienst du?". Eine der Befragten hat geatnwortet: Ich weiß jetzt nicht, ob ich dir die Wahrheit sag' oder dich anlüg'. Da ist mir eingefallen, dass ich den Unterschied zwischen "lügen, belügen und anlügen" herausfinden muss. Beim suchen wurde dazu auch "vorlügen" hinzugefügt.

Es gibt zwar bei WordRef eine ähnliche Frage, aber die beantwortet meine gar nicht.

Was ich schon gefunden und verstanden habe (mit meinen Beispielen):
1) Es gibt keinen semantischen Unterschied zwischen denen: alle vier bedeuten "unwahre Informationen mitteilen". Der einzige Unterschied ist die Struktur von Sätzen.
2) "Lügen" wird einfach ohne ein Objekt gebraucht: Er lügt und du merkst das auch nicht.
3) Nach "belügen" und "anlügen" wird ein Akkusativ-Objekt unbedingt gebraucht und sie unteschieden sich nur strukturell ohne einen semantischen Unterschied: Er belügt dich und du merkst das auch nicht. / Er lügt dich an und du merkst das auch nicht.
4) "Vorlügen" braucht ein Dativ- (wem es gesagt wird) und Akkusativ-Objekt (was nähmlich gesagt wird) aber unterschiedet sich im Hinblick auf Semantik auch nicht von "belügen" und "anlügen": Er lügt dir alles/seine Liebe vor und du merkst das auch nicht.

Bitte, korrigiert mich, wenn ich mich irgendwo irre. Und ich bitte Euch auch zu sagen, welches Wort von Euch häufiger gebraucht und gehört wird (und in welcher Region), damit ich auch das relevanteste Wort gebrauche.

Vielen Dank für Eure Hilfe!
 
Last edited:
  • Meiner Beobachtung nach gibt es leichte Unterschiede im Stil.

    lügen - stilistisch neutral, allgemeinste Form, oft objektiv verwendet, auch in der Logik, immer aktive Form.
    belügen - neutral, aktiv oder passiv. Sie belügt uns. Wir werden von ihr belogen.
    anlügen - stärker emotional, stärker pejorativ, aktiv und passiv verwendet, stärkere Betonung/Wertung
    vorlügen - oft eine ganze Sammlung von Lügen, weniger emotional für den Belogenen, Konnotation: Gewohnheit.
    Jemandem ins Gesicht lügen. - wie jemanden anlügen, aber viel intensiver.

    Alles hängt aber vom Kontext ab.
    Und es betrifft nicht die Grundbedeutung.

    Allerdings würde ich bei der Paradoxie des Lügners nur "lügen" verwenden. Es ist ein objektiver Sachverhalt.

    Ich lüge immer. - Das ist paradox.
    Ich belüge dich immer. - Das ist wahr oder falsch, aber es ist nicht paradox.

    Stärke der Emotion steigend:
    Er lügt.
    Er belügt mich.
    Er lügt mir etwas vor.
    Er lügt mich an.
    Er lügt mir ins Gesicht.
     
    Stärke der Emotion steigend:
    1. Er lügt.
    2. Er belügt mich.
    3. Er lügt mir etwas vor.
    4. Er lügt mich an.
    Für mich ist der Unterschied zwischen 2."Er belügt mich." und 4. "Er lügt mich an." rein stilistisch - kein "emotionaler" Unterschied!

    Er lügt mich an. klingt mMn "alltäglicher" als Er belügt mich.
    Ich verwende belügen nur im Schriftlichen.
     
    Der einzige Unterschied ist die Struktur von Sätzen.
    Das ist wohl der wichtigste Unterschied.

    vorlügen - oft eine ganze Sammlung von Lügen, weniger emotional für den Belogenen, Konnotation: Gewohnheit.
    :thumbsup:
    Ich glaube, dass "vorlügen" auf einen gewohnheitsmässigen oder auf andere Weise übermässigen bzw. auffälligen Lügner hinweist.

    Ich verwende belügen nur im Schriftlichen.
    :thumbsup:
    Das Schriftliche wirkt tendenziell auch distanzierter bzw. weniger emotional.
     
    Dann ist es noch falsch oder wahr, es fehlt die Selbstbezüglichkeit.

    Ich lüge immer. Also ist dieser Satz wahr, also ist dieser Satz falsch, also ist er wahr etc.
    Natürlich ist der Satz Ich lüge immer selbstbezüglich. Das Lügnerparadox, ist ist sogar die Mutter aller Paradoxe.
     
    Last edited:
    Hutschi meine aber, der Satz "ich belüge dich immer" sei nicht mehr selbstbezüglich (wenn ich richtig verstanden haben). Ich bitte eben um Erklärung, warum er nicht mehr selbstbezüglich sein soll.
    Er versteht er ihn wahrscheinlich umgangssprachlich und dort bedeutet er: Ich belüge dich üblicherweise. Wörtlich verstanden ist der Satz natürlich selbstbezüglich.
     
    Dazu kommt: Lügen (egal ob be-, an- oder sonstiges lügen) ist auch das falsche Verb um das Paradox zu formulieren. Das ist nicht nur ein philosophisches Problem, sondern führt auch immer wieder im Alltag zu Fehlern oder Missverständnissen. Eine korrekte Formulierung des Lügnerparadoxes wäre:
    Ich sage immer die Unwahrheit.

    Lügen ist aber nicht dasselbe wie die Unwahrheit sagen. Die Definition von lügen ist: bewusst etwas sagen, was man für die Unwahrheit hält. Das heißt, nicht jede unwahre Aussage ist eine Lüge. Etwas zu unwahres zu behaupten, dass man für wahr hält ist keine Lüge und durch einen Versprecher oder Tippfehler versehentlich etwas unwahres zu behaupten ist auch keine Lüge. Ein Grenzfall ist das umgekehrte: Ist bewusst etwas zu behaupten, das man für falsch hält aber in Wirklichkeit wahr ist, eine Lüge oder nicht? Da würden die meisten wohl je nach Situation anders antworten: Wenn jemand vor Gericht bewusst etwas aussagt, was er für unwahr hält, tatsächlich aber wahr ist, kann der dann wegen Falschaussage belangt werden? Oder: Ein gefangener Soldat wird vom Feind nach den Stelllungen seiner Einhein ausgefragt und gibt eine Antwort, die seines Wissenstandes nach falsch ist, seine Einheit ist aber in der Zwischenzweit genau dorthin verlegt worden und der aufgrund der Aussage des Gefangenen gelingt dem Feind ein erfolgreicher Angriff auf die Einheit. Ist der Gefangene dann ein Verräter?
     
    Das ist wahr. Die Formulierungen sind unterschiedlich genau. Zum Thema gehört es, weil es die formale Verwendung zeigt.
    Mein Irrtum bei "anlügen" beruhte auf nichtformaler Verwendung in formalem Kontext.
    In zweiwertiger formaler Logik stimmen Lüge und Unwahrheit üblicherweise überein, allerdings gibt es in "normaler" Sprache einen Unterschied, den Bernd gezeigt hat.
    PS: Zu den sprachlichen Varianten gibt es auch viel Literatur.
     
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    Wie ist es bei Notlügen? Sind hier (bis auf Grammatik) die Formen gleichwertig?
    Ist es abhängig vom Sprecher?
    Ich log ihn an. vs. Er belog mich. Sie log ihm etwas vor. Es waren Notlügen.

    Spielt der Klang eine Rolle? Sind die Formen symmetrisch austauschbar ohne Stiländerung?
     
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