Ein Problem ist, dass Sprache sich entwickelt.
Kein Nachschlagewerk kann alles enthalten.
Deshalb gibt es immer Regeln und Ausnahmen zu Regeln. Dazu kommen Beispiele, wie Wortlisten.
Grammis hat als Beispiel:
Ich muss nach Hause.
Daraus folgt (nach einfachen Regeln): Ich musste zum Arzt. Ich habe zum Arzt gemusst.
Ein zweites Problem:
Es gibt mehrere Definitionen für Standardsprache.
Eine ist: Aufgeschriebene und vereinbarte Regeln und Beispiele. (Das ist bei der Rechtschreibreform der Fall.)
Eine andere ist: Allgemein üblich.
Wikipedia formuliert:
Standardsprache – Wikipedia
Eine
Standardsprache ist eine standardisierte
Einzelsprache, also eine
Sprache, die über mindestens eine
Standardvarietät neben ihren weiteren
Varietäten verfügt.
Sprachliche Standardisierung umfasst unter anderem die Allgemeinverbindlichkeit einer sprachlichen
Norm, deren
Kodifizierung in
Grammatiken und
Wörterbüchern, die Verwendbarkeit der Sprache für alle wichtigen Lebensbereiche (Polyvalenz) sowie die dafür erforderliche
stilistische Differenzierung. Diese Merkmale beziehen sich jeweils nur auf die Ausbildung eines bestimmten Standards und lassen z. B. die zu der Sprache gehörenden
Dialekte unverändert.
Oft wird vergessen: "... sowie die dafür erforderliche stilistische Differenzierung."
Eigentlich recht einfach, aber es geht weiter:
Laut
Ulrich Ammon sind die Instanzen des sozialen Kräftefelds, die eine einmal „gesetzte“ Norm nachträglich „bekräftigen“ und nach denen sich die Bevölkerungsmehrheit ausrichtet, erstens die „Normautoritäten“, die Korrekturen einbringen, zweitens die „Kodifizierer“, welche den Sprachkodex formulieren, drittens die „Modellschreiber“ und „-sprecher“, nach deren Modelltexten sich die Sprachbenutzer richten, und viertens die „Sprachexperten“, die Fachurteile abgeben. Alle diese Instanzen agieren nicht nur gegenüber der Bevölkerung, sondern interagieren auch untereinander.
[1]
Letztlich bedeutet es, die Normen ändern sich.
Da sind wir uns nicht einig. Wenn mir der Satz in einem Kontext, der standardsprachliche Ausdrucksweise erforderte, zum Korrekturlesen vorläge, hätte ich ich ihn so geändert: Anna musste zum Arzt gehen.
Das weist darauf hin, dass früher unter Standardsprache meist Schriftsprache verstanden wurde.
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Mir erscheint "hat zum Arzt gemusst" ohne Vollverb als sehr umgangssprachlich.
"Gemusst" ist hier ein Vollverb. Umgangssprache orientiert sich oft an der Standardsprache.
Duden:
müssen
gezwungen sein, etwas zu tun, sich irgendwohin zu begeben
Grammatik Vollverb; musste, hat gemusst
BEISPIELE
- „Unterschreibe bitte hier!“ – „Muss ich das wirklich?“
- er hat gemusst, ob er wollte oder nicht
- ich muss noch zum Arzt
- ich muss mal (familiär; muss zur Toilette)
Der Duden ist zwar kein amtliches Dokument mehr, aber wir waren uns relativ einig, ihn im Zweifelsfall anzuerkennen, außer bei offensichtlichen Fehlern.